Die Rolle des Zetapotenzials bei der Steuerung von Prozessen zur Behandlung von Wasser und Abwasser

Der Zetasizer Nano wird in großem Umfang zur Steuerung von Prozessen bei der Aufbereitung von Wasser und Abwasser eingesetzt. Eine optimale Flockungseffizienz stellt sich innerhalb eines bestimmten Zetapotenzialfensters ein. Dieser Effekt kann genutzt werden, um die Kosten der verwendeten chemischen Flockungsmittel zu reduzieren.

Einführung

Physikalische Prozesse, wie Sedimentation, Flotation und Filtration, sind weiterhin ein fester Bestandteil der meisten Prozesslinien zur Aufbereitung von Wasser- und Abwasserströmen. Diese Verfahren beruhen sämtlich auf Prinzipien, die mit der Größe, Dichte und Ladung der zu entfernenden Partikel zusammenhängen.

Die relative Bedeutung der Partikelladung für die Prozesseffizienz wird entscheidend durch die Größe der relevanten Partikel bestimmt. Sobald die Partikel eine bestimmte Größe erreichen, bewirkt ihre Masse eine schwerkraftbedingte Sedimentation, deren Geschwindigkeit ausreicht, um etwaige Effekte infolge der Oberflächenchemie der Partikel aufzuwiegen.

Bei dem für Wasser- und Abwasserprozesse typischen Größenspektrum (< 1000 µm) spielen Oberflächenkräfte jedoch bei der Steuerung der Abscheideeigenschaften des Systems eine entscheidende Rolle.

Zur Bestimmung der Oberflächenladung - bzw. wichtiger, des Zetapotenzials (ζ) - wird die Partikelgeschwindigkeit gemessen, die sich einstellt, wenn an eine die Probe enthaltende Kapillarzelle eine Potenzialdifferenz angelegt wird (Zetasizer, Malvern Instruments Ltd.).

Das Zetapotenzial ist als Schlüsselfaktor bei der Untersuchung der Performance von physikalischen Prozessen wie Flockung und Sedimentation bekannt.

Zetapotenzial, Sedimentation und Flotation

Das Zetapotenzial wirkt sich auf die Größe und Dichte der gebildeten Flocken aus. Eine Zunahme der Dichte bewirkt eine schnellere Flockung.

Bei niedrigen Zetapotenzialen sind die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen den Partikeln verringert, wodurch sich die Partikel stark annähern und somit kompaktere Flocken bilden können. Abbildung 1 zeigt die Resttrübung nach Sedimentation von koaguliertem, stark gefärbtem und schwach getrübtem Rohwasser. Innerhalb eines Zetapotenzial-Arbeitsbereichs von +3mV bis -22mV ist eine niedrige und stabile Trübung des Ablaufs zu beobachten. Bei negativen Zetapotenzialen unter -22mV steigt die Ablauftrübung stark an, da die suspendierten Partikel im Wasser infolge der gegenseitigen Abstoßung effektiv stabilisiert werden. Die Größe dieses Arbeitsfensters kann durch Änderung der Koagulanzien erweitert werden, wie in Abbildung 1 gezeigt. Hier wird durch ein Material mit einer höheren Ladungsdichte ein viel größeres Arbeitsfenster bei positiven Zetapotenzialen erreicht.

Abbildung 1: Endtrübung versus Zetapotenzial bei der Sedimentation von koagulierten natürlichen organischen Substanzen mit einem Koagulans mit niedriger Ladungsdichte (offene Kreise) und einem Koagulans mit hoher Ladungsdichte (ausgefüllte Kreise).
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Flotationsprozesse basieren funktionell auch auf Dichteunterschieden, in diesem Fall jedoch aufgrund der verminderter Dichte, die sich infolge der Anlagerung von Luftblasen an die Festphase ergibt. Bei solchen Trennverfahren wirkt sich das Zetapotenzial auf die Fähigkeit der Blasen und Partikel aus, aneinander anzuhaften und verbunden zu bleiben. Es wurde festgestellt, dass der Prozess durch die kombinierten Zetapotenziale der Partikel und der Blasen beeinflusst wird. In vielen Fällen ist jedoch die alleinige Messung der Festphase ausreichend. Abbildung 2 zeigt die Auswirkung des Produkts beider Zetapotenziale (der Partikel und der Blasen) bei der Flotation von koaguliertem, stark getrübtem Wasser. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang: Niedrigere Zetapotenziale bewirken höhere Abscheidegrade. Wenn das Produkt der Zetapotenziale zunimmt, beide Oberflächen also hohe Ladung aufweisen, ist die Prozesseffizienz verringert. Die Untersuchung der während der Arbeiten erstellten Trenngradkurven ergibt, dass die geringere Aufbereitungsleistung zunächst bei den kleineren Größenbereichen auftritt; was aufgrund zunehmender Dominanz der Ladungseffekte bei diesen geringeren Größen auch erwartet wird.

Abbildung 2: Trübungsentfernung versus Zetapotenzial bei der Flotation von stark getrübtem Wasser.
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Filtration und Systemchemie

Filtrationsprozesse basieren funktionell auf der Anhaftung von Partikeln an den Körnern der Filtersubstanzen, wie z. B. Sand oder Anthrazitkohle. Das Zetapotenzial bestimmt dabei die Anhaftungsfähigkeit der Partikel. Das Prinzip gleicht dem der Flotation. Im Unterschied zu den Luftblasen sind die Medienoberflächen jedoch weniger empfindlich für Änderungen in der Chemie. Abbildung 3 belegt einen ähnlichen Zusammenhang wie Abbildung 1: Es liegt ein Zetapotenzial-Arbeitsfenster vor, innerhalb dessen die Partikelkonzentration im Ablauf sowohl niedrig als auch stabil ist. Eine stabile Ablaufkonzentration ist abhängig von Standard-Filtrationsparametern wie Mediengröße und Filtrationsrate. Das Zetapotenzial-Arbeitsfenster hingegen wird nicht von Betriebsvariablen beeinflusst. Es wird vielmehr durch die Chemie des Systems bestimmt - über Parameter, wie z. B. den Typ und pH-Wert des Koagulans.

Abbildung 3: Endtrübung versus Zetapotenzial bei der Tiefenfiltration von stark und schwach getrübtem Wasser.
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Zusammenfassung

In der Gesamtbetrachtung bestätigt sich die Existenz von Zetapotenzial-Arbeitsfenstern, innerhalb derer die Aufbereitungsleistungen hoch und die Partikelkonzentrationen im Ablauf niedrig sind. Innerhalb dieser Fenster ist der Prozess weitgehend unabhängig vom Zetapotenzial, und die Leistung wird von anderen Faktoren limitiert. Interessanterweise scheinen viele Prozesslinien in der Wasserwirtschaft bei Zetapotenzialen betrieben zu werden (-15mV < ζ < -10mV), die nahe am Rand der beobachteten Arbeitsfenster liegen. Hierdurch sind diese schon gegenüber kleinen Änderungen der Zufuhrbedingungen anfällig.

Schlussbemerkungen

Die Anwendung des Zetapotenzials zur Diagnose und Steuerung von Wasser- und Abwasseraufbereitungsprozessen ist nicht neu. Dieses Thema wird in Forschungsarbeiten seit Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen. Tatsächlich hat sich das grundlegende Verständnis der Auswirkung des Zetapotenzials auf die Prozessleistung seit jenen ersten Untersuchungen kaum verändert. Die damaligen Arbeiten waren jedoch durch die Schwierigkeit der eigentlichen Messung und die mangelnde Zuverlässigkeit der Ausrüstung limitiert. Daher wurden die Arbeiten eher auf kleine Datensätze beschränkt, die für die Untersuchung realer Aufbereitungssysteme ungeeignet waren und die Versuche auf idealisierte Umgebungen einschränkten.

Mit der Verfügbarkeit moderner Methoden und der verbesserten Zuverlässigkeit und Robustheit der Messverfahren wurde die Anwendung des Zetapotenzials für die Diagnose und die Beeinflussung von physikalischen Prozessen neu belebt. Die regelmäßige Nutzung des Zetapotenzials als Parameter ist praktikabler geworden. Insbesondere kann aufgrund der verbesserten physikalischen Robustheit der Technologie ein Messsystem nun bei Bedarf direkt vor Ort platziert werden.

Auch in den damit zusammenhängenden analytischen Bereichen wurden Verbesserungen erzielt, sodass eine viel umfangreichere Charakterisierung der beteiligten Wässer möglich ist. Die gegenwärtige Herausforderung besteht darin, die Faktoren zu identifizieren, die die Größe des Zetapotenzial-Arbeitsfensters bestimmen, und schließlich die Manipulation dieser Faktoren hinsichtlich einer verbesserten Leistungsstabilität zu beherrschen. Hierzu sind ggf. Änderungen in der Chemie des Wassers oder gar der physikalischen Prozesse selbst erforderlich.

Somit steht die Anwendung des Zetapotenzials vor einer spannenden Zukunft: Sie ermöglicht die zuverlässige Untersuchung realer Wässer und realer Aufbereitungsanlagen und schafft die nötigen Voraussetzungen für Entwicklung von physikalischen Prozessen zur Wasser- und Abwasseraufbereitung auf Basis der Grundlagenforschung.

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